Ein kleiner Haken

Nebst dem Staatsbegräbnis für die Queen, das ich heute auf einem Livestream mitverfolgt habe, beschäftigt mich derzeit auch noch etwas ganz anderes. Richtig geraten: der Krieg in der Ukraine. Den Erfolg, den die Ukrainer jüngst mit einer Offensive gegen die russische Soldateska verbuchten, mag man ihnen von Herzen gönnen. Weitere Siege werden vermutlich folgen.

 

Nationen, die sich gegen einen übermächtig scheinenden Feind erfolgreich zur Wehr setzen, geniessen die Sympathie der Anteil nehmenden Welt. Wie die Finnen, die während des Zweiten Weltkriegs tapfer und wirkungsvoll gegen die Rote Armee kämpften. Daran ist nichts Falsches. Wir Schweizer würden auch alles unternehmen, um einen brutalen Angreifer zurückzudrängen, oder?

 

Im Vergleich mit 1940 hat die Sache heute aber einen Haken, und der heisst Atombombe. Soeben habe ich in der Pendlerzeitung «20 Minuten» ein Interview mit dem russischen Exdiplomaten Boris Bondarew gelesen, der sagte, es sei «nicht unmöglich, aber auch nicht sehr wahrscheinlich», dass der russische Präsident Wladimir Putin Atombomben auf die Ukraine werfe, um eine Totalniederlage abzuwenden. Dann schob Bondarew nach: «Erstmals seit Jahrzehnten ist die Gefahr eines Nuklearkriegs wieder real.»

 

Eben. Das denke ich schon lange, schon seit Ausbruch dieses Kriegs. Wissen eigentlich die Mächtigen auf beiden Seiten genau, was sie tun? Der eine, der recht unverhohlen mit der Bombe droht, und jene, die selbstsicher behaupten, dass diese Drohungen nicht ernst zu nehmen seien und man Russland nun endgültig in die Knie zwingen müsse?

 

Man kann immer pokern und hoffen, dass es gut kommt. Und wenn es nicht gut kommt, verliert man schlimmstenfalls Haus und Hof. Diesmal aber geht es nicht um Haus und Hof. Sondern um das Risiko eines atomaren Infernos, in dem die ganze Menschheit zugrunde geht. Ich möchte nicht in der Haut jener stecken, die tollkühn die rote Linie ausloten (müssen) und einfach mal hoffen, dass der Bär nicht doch noch zu seiner letzten Waffe greift.

 

Noch einmal: Wissen wirklich alle ganz genau, was sie tun und wie weit sie gehen können? Kann man jetzt überhaupt noch das Richtige tun? Oder sind wir auf diesem Planeten von allen guten Geistern verlassen?

 

Und bevor jetzt die Mahnfinger hochschnellen und mich scharfe Stimmen ermahnen: Putin ist an allem schuld!, frage ich prophylaktisch zurück: Was nützt mir, was nützt uns allen diese Erkenntnis, wenn wir uns sehenden Auges geradewegs in die Apokalypse hineinreiten? Strategie weiss ich keine, ich habe nur einen innigen Wunsch: Möge dieser Krieg bald zu Ende gehen, ohne dass noch Schlimmeres passiert.